II. Endstation Demokratie und Etatismus?
– der Wettkampf der Systeme: die permanente Systemselektion
TEIL II
Ein besonderes Leckerli der etatistischen Avantgarde ist das Existenzargument – jeder angestrebte Systemwandel, der keine Beispiele in der Zeitgeschichte vorzuweisen hat, sei automatisch utopisch und unmöglich. Schließlich setze man auf altbewährte Ideen, frei nach Adenauers „Keine Experimente!“.
Dieses Argument verbindet die Staatstreuen (Etatisten) mit den Konservativen: Der Staat wird als natürliche, beinahe gottgegebene Macht angesehen. Wer an dieser Prophezeiung zweifelt, gilt meist als verrückt oder realitätsfern.
Privatisierung des Bildungssystems? Es gibt kein ausschließlich privates Bildungssystem auf dieser Welt! Unmöglich!
Freie Währungskonkurrenz? Dafür gibt es keine funktionierenden Beispiele! Unmöglich!
Niemand würde leugnen, dass die oben genannten Forderungen noch keine Paradebeispiele vorweisen können. Doch bedeutet die Nicht-Existenz eines Systems, dass dieses schlechter als das jetzige System wäre? Bedeutet die Tatsache, dass kein funktionierendes System dieser Art vorgeführt werden kann, dass es niemals existieren kann?
Würde man diesem Argument folgen, so stellt sich zwangsläufig die Frage: Wenn nur das System beziehungsweise der Gedanke realistisch oder nicht-utopisch ist, der in der Realität eine existente Form vorzuweisen hat, wie kann dann Fortschritt entstehen? Wäre dann nicht jeder neue philosophische Gedanke, jede neue technische Errungenschaft und jede Änderung des Status quo eine Utopie?
Im Gegenteil: Grenzen müssen überwunden und neue Gedanken gefasst werden. Geschieht dies nicht, stagniert der Fortschritt, denn die Selektion wird nur dann aktiv, wenn mindestens zwei unterschiedliche Individuen/Systeme existieren. Wettbewerb kann logischerweise nicht entstehen, wenn es sich um zwei gleiche Produkte handelt, die den gleichen Preis fordern.
Fortschritt im Sinne von Anpassungen ist zudem ein natürliches Phänomen – es gibt kein Lebewesen, dessen Form und Gestalt, dessen Eigenschaften und Gewohnheiten sich im Lauf der Zeitgeschichte nicht drastisch geändert haben. Die Weiterentwicklung jeglichen Lebens basiert auf spontanen Mutationen, die wenigen Individuen einen Selektionsvorteil verschaffen – die Folge: Die eher angepassten Individuen setzen sich gegen die nicht angepassten Individuen durch und vererben ihr genetisches Material überproportional.
Wichtig ist, dass dieser biologische Vorgang als fließender, niemals endender Prozess verstanden wird – überlebensfähig ist, wer ausreichend angepasst ist. Die „perfekte“ Beschaffenheit eines Lebewesens existiert nicht. Lebewesen A kann heute noch überlebensfähig sein, morgen aber schon negativ selektiert werden.
Das beste Beispiel ist der Mensch: Der Mensch ist überlebensfähig, doch er ist keineswegs perfekt. Beispielsweise besitzt er den unnützen Blinddarm. Höchstwahrscheinlich – um bei diesem Beispiel zu bleiben – werden sich die Individuen durchsetzen, die durch zufällig Mutationen keinen Blinddarm besitzen und somit nicht dessen Entzündungspotential ausgesetzt sind.
Gleiches gilt für die Systemfrage: Unser System, der „demokratische“ Etatismus ist nicht für die Ewigkeit gemeißelt – es ist momentan ausreichend angepasst, keineswegs perfekt oder ein „Endziel“, das erstrebenswert wäre. Jedes System, jede technische Errungenschaft, jeder Gedanke ist temporär – anfangs revolutionär, später normal, letztendlich aber überholt.
Konkret könnte sich die Systemselektion folgendermaßen abspielen: Stellen wir uns ein beliebiges Land X vor. Die momentane Form des Zusammenlebens ist a) von einem Staatswesen und b) von einer demokratischen Ordnung gekennzeichnet. Dieses System bildet den Status quo, da es den Anforderungen seiner Umwelt, also den dort lebenden Menschen entspricht. Diese fordern a) einen Lenker in Form des Staates und b) Mehrheitsvoten für jede Entscheidung, die das „Gemeinwohl“ tangiert.
Nehmen wir nun an, dass die Nachbarn von X, nämlich Y und Z im gleichen System leben.
Nun kommt es zum entscheidenden Bruch, zum Auslöser des Selektionsprozesses: Die Menschen in Land X, Y und Z ändern ihre Erwartungshaltung. Sie sind überzeugt, dass das System der Demokratie mit einer „Diktatur der Massen“ gleichzusetzen ist. Sie lehnen es – aufgrund ihres langjährigen Erfahrungsschatzes – ab, dass sie sich Mehrheitsentscheidungen unterwerfen müssen. Auch kommen sie zu der Einschätzung, dass die Bewältigung der „öffentlichen Aufgaben“ dem freien Wettbewerb übergeben werden sollte, der Staat also keine Monopolstellung in puncto Bildung, Sicherheit, Infrastruktur u.s.w. haben dürfe.
Die Menschen in Land X ergreifen die Initiative und leben fortan in einer staatsfreien Gesellschaft, beispielsweise nach Vorbild einer Privatrechtsgesellschaft. Nun wirkt der Selektionsdruck: Die Systeme der Länder Y und Z, die immer noch aus einem demokratischen Etatismus bestehen, werden langfristig negativ selektiert. Wieso? Die Menschen in den Ländern Y und Z werden sich den Vorteilen des neuen Systems von Land X bewusst und ziehen eine Auswanderung nach X in Betracht. Schlussendlich werden die Systeme in Y und Z nicht mehr zu finanzieren sein – sie wurden negativ selektiert beziehungsweise eliminiert. Stellt sich jedoch heraus, dass das neue System in Land X keinen Vorteil zum Status quo bietet, so wird dieses zwangsläufig negativ selektiert.
Die Zeitgeschichte ist der Beweis: Der Mensch reagiert auf seine neue Erwartungshaltung und seine Ansprüche mit dem Finden von neuen Systemformen – die Systeme, die dann den Ansprüchen tatsächlich besser gerecht werden, sind den alten Systemen überlegen und werden positiv selektiert.
Fazit: Die Selektion ist ein fließender Prozess – alle momentanen Systeme/Errungenschaften/Lebewesen sind temporär, bezogen auf die Selektion „ausreichend angepasst“, aber keineswegs perfekt. Der Zustand der Perfektion ist utopisch – er wird niemals erreicht werden, da sich die Anforderungen an das System/Errungenschaften/Lebewesen ändern. Auch Demokratie und Etatismus sind also temporär.
Im nächsten Beitrag widmen wir uns der libertären Kartelltheorie, die besagt, dass Kartelle auf einem freien Markt langfristig nicht existieren können.